Europäische Institut für Menschenrechte - Prof. Dr. Dr. Ümit Yazıcıoğlu -
      Europäische Institut für Menschenrechte - Prof. Dr. Dr. Ümit Yazıcıoğlu -

Asylrechtsreform 1993 aus der Sicht von 2013

Asylrechtsreform 1993 aus der Sicht von 2013

 

 

A.        Transformation des Asylrechtsbegriffs

 

Der retrospektive Blick wird bekanntlich gelassener vollzogen als unmittelbare Erlebnisse der Zeitzeugen: Wie alle Neugeborenen kam das Asylrecht 1949 unschuldig zur Welt. Unbemerkt von der Öffentlichkeit führte es zwanzig Jahre ein Schattendasein. Es gab bis 1965 kein Verfahren für „politisch Verfolgte“. Die Asylverordnung von 1953 war auf die Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) zugeschnitten, die in überschaubarer Zahl aus Osteuropa kamen und die Selbstgewissheit eines antikommunistischen Lebensgefühls, das die alte Bundesrepublik zusammenschweißte, bestätigte. Ihre Flucht war legitim, hatte doch die ihnen drohende Bestrafung wegen Republikflucht die gleiche Aufgabe wie „Mauern, Stacheldraht, Minenfelder und Schließbefehle.“ Sie sollte eine „Abstimmung mit den Füßen“ verhindern.[1] Die erste historische Phase des deutschen Asylrechts verlief also unbemerkt von der Öffentlichkeit. Dies änderte sich mit dem Ende der politisch gesteuerten Arbeitsmigration im November 1973, den politischen Umwälzungen in Afrika und Asien im nachkolonialen Zeitalter und der Zunahme internationaler Migrationen. Nunmehr wurde die Gesellschaft durch endlose politische Kampagnen gegen das Asylrecht zerrissen und bereitete die Asylrechtsdogmatik das Grundrecht für den europäischen Wettlauf, Flüchtlinge auf die Umlaufbahn zu setzen, zu. Lange vor 1993, bereits Mitte der 1970er Jahre, erfuhr der Asylrechtsbegriff seine Transformation, die 1993 in der faktischen Abschaffung des Asylgrundrechts ihren radikalen Abschluss fand. Doch die scharfen Abwehrinstrumente entglitten der Kontrolle ihrer Schöpfer. In der dritten historischen Phase klären sich die Konturen der europäischen Transformation des Asylrechtsbegriffs. Zeit für eine Bestandsaufnahme.

 

B.        Tragende Konstruktionsprinzipien des Asylgrundrechts nach Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG 1949

 

I.         Aufenthalts- und Abschiebungsschutz

 

1.         Reduzierung des asylrechtlichen Schutzes auf den Refoulementschutz

 

Wir beginnen mit der zweiten Phase des Asylrechtsbegriffs: Die Rechtsprechung des BVerwG zur Auslegung der Gewährleistung von Aufenthalts- und Abschiebungsschutz durch das Asylgrundrecht nach Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG bezog sich auf die völkerrechtliche Ausgangslage. Danach gebe es „keinen überkommenen, im Völkerrecht oder im innerstaatlichen Recht eindeutig umschriebenen oder allgemein anerkannten Asylrechtsbegriff, den das Grundgesetz hätte übernehmen können.“ Daher bedürfe es für die Auslegung des Grundrechts einer Unterscheidung von zwei Bereichen: Das Grundrecht auf Asyl habe zunächst „einen klar umrissenen und unverzichtbaren Kerngehalt. Er verbürgt demjenigen, der vor politischer Verfolgung Zuflucht sucht, dass er 1. an der Grenze des zur Asylgewährung verpflichteten Staates nicht zurückgewiesen wird, 2. nicht in einen möglichen Verfolgerstaat abgeschoben wird, was einschließt, dass er auch in keinen Staat abgeschoben werden darf, in dem die Gefahr der weiteren Abschiebung in einen Verfolgerstaat besteht.“[2]

 

Von diesem verfassungsrechtlich gewährleisteten Kernbereich grenzte das BVerwG den Bereich des Aufenthaltsschutzes ab: Inwieweit und unter welchen Voraussetzungen und Vorbehalt die im Bundesgebiet aufgenommenen politisch Verfolgten über den Kernbereich des Verfolgungsschutzes hinaus Rechte besitzen, lasse sich dem Asylrechtsbegriff nicht unmittelbar entnehmen. Insoweit sei Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG eine „offene Norm“, die zwar eine Grundregel gebe, im Übrigen aber einen ergänzenden Regelungsauftrag an den Gesetzgeber enthalte, bei dessen Wahrnehmung diesem ein „erhebliches Maß an Gestaltungsfreiheit“ zur Verfügung stehe, im Rahmen dessen er auch andere Ziele und Werte der Rechtsordnung zu berücksichtigen habe. Der Aufenthaltsschutz wurde damit aus dem Schutzbereich des Asylgrundrechts herausgelöst und lediglich zur Staatsaufgabe erklärt, zu einer „staatlichen Interessen dienenden und von den staatlichen Organen zu beachtenden Aufgabe.“[3] Zwar dürfe den unmittelbar aus dem Verfolgerstaat einreisenden Asylsuchenden Einreise und Aufenthalt zum Zwecke der Klärung ihrer Asylberechtigung nicht verwehrt werden.[4] Ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht des Grundrechtsträgers oder gar einen Schutz vor Abschiebung in einen dritten Staat gewährleistete das Grundrecht nach Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG damit nicht.

 

Vielmehr durfte der Gesetzgeber nach Ansicht des BVerwG die tatbestandlichen Voraussetzungen des Grundrechts und damit die Grenzen seines Schutzbereiches deklaratorisch nachzeichnen.[5] Die einfachgesetzliche Regelung über den Asylausschluss bei anderweitiger Sicherheit vor Verfolgung gebe in inhaltlicher Übereinstimmung mit der Grundrechtsnorm verlautbarend das wieder, was sich ohnehin aus dieser Grundrechtsbestimmung ergebe. Die Schutzlosigkeit des Asylsuchenden sei Voraussetzung des Asylanspruchs. Daher sei dem Tatbestand der Verfassungsnorm das zusätzliche Merkmal der Schutzlosigkeit immanent. Der Gesetzgeber würde mit derart generalisierenden und pauschalierenden Regelungen lediglich nachzeichnen, was bereits in der Verfassungsnorm angelegt sei.[6] Damit war es nach der fachgerichtlichen Rechtsprechung vereinbar mit dem Asylgrundrecht, den Genuss des Asylrechts auszuschließen, wenn in einem dritten Staat Schutz gefunden wurde. Die aufgezeigte Begründung, welche die Rechtsdogmatik unmittelbar aus der Grundrechtsnorm schöpfte, ermöglichte später mühelos die Einführung der sicheren Drittstaatenregelung und damit die Zerstörung des Asylgrundrechts. Der lange Weg einer sich selbst aufhebenden Grundrechtsnorm wird nachfolgend nachgezeichnet.

 

Zunächst wurde diese Dogmatik in den fachgerichtlichen Rechtsprechung entwickelt. Das BVerfG schloss sich dieser Rechtsprechung an und drehte die dogmatischen Stellschrauben zusätzlich noch einige Windungen weiter: Im Ausgang bestimmte es die Reichweite der verfassungsrechtlichen Asylrechtsgarantie ebenfalls nach deren Aufgabe, politisch Verfolgten Schutz vor den Zugriffsmöglichkeiten des Verfolgerstaates zu sichern[7] und reduzierte die verfassungsrechtliche Aufnahmegarantie damit auf einen bloßen Refoulementschutz. Das Asylgrundrecht sei von seinem Ansatz darauf gerichtet, vor politischer Verfolgung Flüchtenden Zuflucht und Schutz zu gewähren. Daraus folge ohne weiteres, dass der Flüchtling, der gezwungen gewesen sei, in begründeter Furcht vor einer auf politischer Verfolgung beruhenden ausweglosen Lage sein Land zu verlassen, des Schutzes nicht mehr bedürfe, wenn er nicht mehr als Flüchtender das Bundesgebiet erreiche.[8]

 

Aus der Analyse des Kernbereichs des alten Asylgrundrechts folgt damit, dass dieser über den völkerrechtlichen Mindestbestand nicht hinausging. Gingen Öffentlichkeit und Politik bis 1993 davon aus, dass die Asylrechtsgarantie auch eine Aufnahmegarantie für Flüchtlinge enthalte, offenbart der Blick auf die seinerzeit herrschende Asylrechtsdogmatik, dass Flüchtlingen im Kernbereich nur der Schutz vor Zurückweisung und Abschiebung in ihr Herkunftsland garantiert wurde.

 

2.         Verfassungsrechtliche Schutzbegrenzung auf den völkerrechtlichen Mindestbestand

 

Ob das Asylgrundrecht über den Kernbereich hinaus Flüchtlingen im Bundesgebiet auch Aufnahme versprach oder ob diese in dritte Staaten abgeschoben werden durften, durfte der Gesetzgeber frei regeln. Insoweit war das Asylgrundrecht für die fachgerichtliche Rechtsprechung eine„offene Norm“, die zwar eine Grundregel, ihm im Übrigen aber einen ergänzenden Regelungsauftrag gab. Dementsprechend bestimmte die siebziger und achtziger Jahre auch eine heftige Kontroverse über die Befugnis der Behörden zur Verweisung der Flüchtlinge an Drittstaaten. Die Verfassungsnorm ließ es damit aus Sicht der Fachgerichtsbarkeit zu, dass die Bundesrepublik sich am unwürdigen Spiel der alten europäischen Staaten, sich Flüchtlinge gegenseitig zuzuweisen, beteiligen konnte; ein Nullsummenspiel für die beteiligten Staaten, nicht jedoch für die Flüchtlinge. Dem damals entwickelten Typus des „refugee in orbit“ wurde das Risiko des Refoulement sozusagen eingebrannt. Im Drittstaatenurteil spitzte das BVerfG mit der Neuschöpfung des Begriffs des „Viert-Staates“ dieses alteuropäische System der negativen Kompetenzkonfikte schließlich radikal zu. Aber der Reihe nach:

 

Der vom BVerwG beschriebene Kernbereich des Asylgrundrechts ist identisch mit dem völkerrechtlichen Refoulementschutz, der zwar die zwangsweise Verbringung in das Herkunftsland untersagt, jedoch die Zurückweisung und Abschiebung in dritte Staaten nicht ausschließt, sofern wirksam ausgeschlossen wird, dass vom dritten Staat eine Weiterschiebung in das Herkunftsland erfolgt (Verbot der Kettenabschiebung). War anfangs das Zurückweisungsverbot noch umstritten, herrschte alsbald Übereinstimmung darüber, dass auch dieses vom Refoulementschutz umfasst wird: Anfangs wurde aber noch aus der Entstehungsgeschichte von Art. 33 GFK der Schluss gezogen, dass das dort geregelte Verbot nach dem Willen der Staaten nicht für Flüchtlinge an der Grenze gelten sollte. So vertrat z.B. der schweizerische Delegierte während der Diskussion die Ansicht, das Wort »return« (»refouler«) solle nur auf jene Flüchtlinge Anwendung finden, die bereits in das Land eingereist seien. Demzufolge seien die Staaten nicht verpflichtet, größeren Gruppen von Flüchtlingen zu erlauben, ihre Grenze zu überqueren. Zahlreiche Delegierte bekundeten hierzu ihre Zustimmung. Bei einer weiteren Sitzung wiederholte der niederländische Delegierte die Auffassung, dass der Begriff »expulsion« (Ausweisung) sich auf Personen beziehe, denen bereits im Staatsgebiet des Vertragsstaates rechtmäßiger Aufenthalt gewährt worden sei, während der Begriff »return« oder »Refoulement« (Zurückweisung) Personen erfasse, die bereits eingereist seien, denen aber noch kein rechtmäßiger Aufenthalt gewährt worden sei. Nach dieser Interpretation begründe Art. 33 GFK im Falle von größeren Flüchtlingsgruppen keinerlei Verpflichtung der Staaten zu deren Aufnahme. Ohne formelle Abstimmung wurde diese Ansicht durch den Präsidenten der Konferenz zu Protokoll genommen.[9] Nemiah Robinson zog 1953 aus dieser Entstehungsgeschichte den scharfen Schluss, Art. 33 GFK finde Anwendung nur auf jene Flüchtlinge, die bereits legal oder illegal das Staatsgebiet betreten hätten, aber nicht auf jene Asylsuchenden, die an der Grenze Einlass begehrten. Kein Staat könne daher davon abgehalten werden, Flüchtlingen an seiner Grenze die Einreise zu verweigern. Habe es ein Flüchtling geschafft, unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Land zu kommen, sei er sicher. Misslinge ihm dies, habe er Pech gehabt.[10]

 

Was den vorrangig zu betrachtenden Zweck der Konvention betrifft, ist es sicherlich zutreffend, dass ein breiter Staatenkonsens über die Gewährung eines Asylrechts für Flüchtlinge nicht festgestellt werden kann.[11] Eine derartige Zweckrichtung kann daher in die Konvention nicht hineingelesen werden. So wurde auch bei den Beratungen über die Asylrechtsdeklaration von 1967 von den Staatenvertretern hervorgehoben, dass das in Art. 33 GFK enthaltene Prinzip den Staaten bei Massenfluchtbewegungen (»mass migration«) keine rechtlichen Verpflichtungen auferlege.[12] Eine an der Zweckrichtung der Konvention orientierte Auslegung kommt damit zu dem Ergebnis, dass keine ihrer Regelungen dahin interpretiert werden kann, es solle durch sie ein Recht auf Aufnahme und Asylgewährung begründet werden. Art. 33 GFK darf also nicht in einer Weise ausgelegt werden, dass hierdurch Flüchtlingen ein dauerhafter Aufenthalt gewährt werden soll. Darin allein erschöpft sich der Zweck von Art. 33 GFK jedoch nicht. Vielmehr zielt diese Norm zuallererst auf die Vermeidung des Eintritts eines extraterritorialen Effekts: Die Staaten verpflichten sich, alles zu unterlassen, was letztendlich (»in any manner whatsoever«, »auf irgendeine Weise«) dazu führen könnte, dass ein Flüchtling »über die Grenzen« von Gebieten, in denen er verfolgt wird, gelangt. Schon die Wortlautauslegung[13] legt damit ein Verständnis von Art. 33 GFK nahe, wonach der Staat den Flüchtling nicht an der Grenze zurückweisen darf, geriete dieser als Folge der Zurückweisung in den Zugriffsbereich des Verfolgerstaates.

 

Bereits 1954 wurde deshalb festgestellt, dass Art. 33 GFK den Staaten eine zwingende Verpflichtung auferlege, sich jeglicher Maßnahmen zu enthalten, die dazu führen könnten, dass ein Flüchtling in den behaupteten Verfolgerstaat verbracht werde. Zwar hätten die Staaten ein uneingeschränktes Recht, den Zugang zu ihrem Gebiet zu regeln. Es entwickle sich jedoch eine gewohnheitsrechtliche Regel, wonach die Staaten bona fide Flüchtlingen den Zugang nicht verweigern dürften, wenn dies im Ergebnis dazu führen würde, dass der Flüchtling dadurch einer Verfolgung ausgesetzt werde. Hieraus folge zwar nicht die Anerkennung eines dauernden Aufenthaltsrechtes. Der den Zugang gewährende Staat könne jedoch nur auf der Grundlage seiner völkerrechtlichen Verpflichtungen den Flüchtlingen an einen dritten Staat verweisen.[14] Der rechtlich maßgebliche Inhalt von Art. 33 GFK zielt damit auf eine staatliche Unterlassungspflicht. Die Norm verbietet alle staatlichen Maßnahmen, welche im Ergebnis dazu führen, dass der Asylsuchende dem Zugriff seines Verfolgerstaates ausgesetzt wird.[15] Mit dieser Bedeutung wird Art. 33 GFK heute in der Staatenpraxis allgemein angewandt,[16] sodass über den so ermittelten Inhalt des völkerrechtlichen Refoulementschutzes im völkerrechtlichen Schrifttum heute nahezu Übereinstimmung festgestellt werden kann.[17] Gegen den Typus des „refugee in orbit“ enthielt und enthält das Völkerrecht indes keinen wirksamen Schutz.

 

Die Rechtsdogmatik reduzierte das verheißungsvolle Versprechen des Parlamentarischen Rates genau auf diesen völkerrechtlichen Kernbereich des Flüchtlingsschutzes. Die Rechtsprechung erstreckte das Asylgrundrecht des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG zwar auf das Zurückweisungsverbot und war mit der in den 1950er Jahren entwickelten völkerrechtlichen Übung in Übereinstimmung. Sie konnte deshalb auch insoweit als bekräftigende Staatenpraxis im Sinne von Art. 31 Abs. 3 Buchst., b) WVRK verstanden werden. Mehr aber auch nicht. Insbesondere gewährleistete der Kernbereich Flüchtlingen keinen Aufnahmeanspruch im Bundesgebiet. Dem Gesetzgeber wurde damit ein weiter Gestaltungsspielraum zur Regelung der Befugnis der Abschiebung von Flüchtlingen in dritte Staaten eingeräumt, von dem dieser bereits mit § 28 AuslG 1965 und den nachfolgenden gesetzlichen Regelungen in § 2 AsylVfG 1982 und § 27 AsylVfG 1992 Gebrauch gemacht hatte und den der verfassungsändernde Gesetzgeber schließlich mit verfassungsgerichtlicher Legitimation gegen völkerrechtlich anerkannte Grundsätze ausnutzte.

 

3.         Zurückweisung und Abschiebung in dritte Staaten

 

Das BVerwG umschrieb den verfassungsrechtlichen Kernbestand im Blick auf die Befugnis zur Abschiebung in dritte Staaten dahin, dass Flüchtlinge nicht in einen Staat abgeschoben werden dürfen, in dem die Gefahr der weiteren Abschiebung in einen Verfolgerstaat besteht.[18] Damit  bezog es sich stillschweigend auf den allgemein anerkannten völkerrechtlichen Mindeststandard. Danach umfasst der völkerrechtlicheRefoulementschutz auch das Verbot der Abschiebung in einen Staat, wenn nicht wirksam sichergestellt ist, dass dieser den Flüchtling in sein Herkunftsland weiterschiebt.[19] Übereinstimmend hiermit ließen bereits § 28 2. Hs. AuslG 1965 und später die Nachfolgenorm des § 2 Abs. 1 AsylVfG 1982 die Abschiebung in dritte Staat zu, wenn der Flüchtling dort Schutz vor Verfolgung gefunden hatte. § 2 Abs. 2 AsylVfG 1982 ging aber darüber noch weit hinaus und ließ die Abschiebung in dritte Staaten auch dann zu, wenn der Flüchtling sich in einen dritten Staat „nicht nur vorübergehend aufhalten“ konnte. Er musste dort also keinen Schutz gefunden haben. ´Die Nachfolgenorm des § 27 Abs. 1 AsylVfG 1992 baute diesen Ansatz aus und bestimmte, dass dem Flüchtling bereits dann kein Schutz gewährt wurde, wenn er in einem dritten Staat vor „Verfolgung sicher war.“

 

Die durch Art. 16a Abs. 2 GG eingeführte und durch § 26a AsylVfG 1993 umgesetzte „sichere Drittstaatenregelung“ konnte an diese rechtsdogmatische Aufspaltung des Asylgrundrechts in einen „Kernbestand“ und einen hiervon abgespaltenen „offenen“ Vorhof zwanglos anknüpften, freilich in einer radikalen Zuspitzung der vorgegebenen Entwicklungslinie. Bereits seit 1982 reichte für den Asylausschluss allein der objektive Tatbestand der Verfolgungssicherheit im Durchreisestaat aus.[20] Denn das Asylgrundrecht des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG war nach der Rechtsprechung des BVerfG von seinem Ansatz lediglich darauf gerichtet, vor politischer Verfolgung Flüchtenden Zuflucht und Schutz zu gewähren. Daraus folge ohne weiteres, dass der Flüchtling, der gezwungen gewesen sei, in begründeter Furcht vor einer auf politischer Verfolgung beruhenden ausweglosen Lage sein Land zu verlassen, des Schutzes nicht mehr bedürfe, wenn er nicht mehr als Flüchtender das Bundesgebiet erreiche.[21] Dies wurde insbesondere dann bejaht, wenn er in einem Drittstaat, in dem er sich vor seiner Einreise in das Bundesgebiet aufgehalten hatte, vor Verfolgung hinreichend sicher war und ihm dort jedenfalls auch keine anderen Nachteile und Gefahren drohten, die ihrer Intensität und Schwere nach asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigungen gleichkamen.

 

Demgegenüber hatte die fachgerichtliche Rechtsprechung zunächst die Ansicht vertreten, die Verfolgungsbetroffenheit oder der »Zustand des politisch Verfolgten« werde durch den in einem anderen Staat gewährten Schutz ebenso wenig beseitigt wie durch die Weiterreise in das Bundesgebiet.[22] Nachdem das BVerfG jedoch den Asylrechtsbegriff dahin ausgelegt hatte, dass er auf den vor politischer Verfolgung Flüchtenden zielte[23] und 1987 der Gesetzgeber den Begriff des Verfolgungsschutzes durch den der Verfolgungssicherheit ersetzt hatte, änderte das BVerwG seine Rechtsprechung: Der Begriff der Verfolgungssicherheit sei schon von seinem Wortlaut her derart eindeutig, sodass auch ohne das Vorliegen der subjektiven Kriterien der Schutzsuche durch den Flüchtling und einer dementsprechenden Schutzgewährung durch den Zufluchtsstaat Verfolgungssicherheit bestehen könne, wenn in dem anderen Staat objektiv keine Gefahr politischer Verfolgung drohe. Dies sei der Fall, wenn der Drittstaat den Flüchtling seinerseits nicht verfolge, nicht zurückweise und nicht in einen Staat abschiebe, in dem ihm politische Verfolgung drohe [24] Dies allein reiche jedoch nicht aus. Vielmehr sei das Asylrecht nicht auf den bloßen Abschiebungsschutz beschränkt. Hinzu kommen müsse, dass der Drittstaat dem Flüchtling eine Hilfestellung auch zur Beseitigung oder Verhinderung der Umstände gewähre, die in der Person des Flüchtlings als Folgen der politischen Verfolgung dadurch entstanden seien, dass er seinen Heimatstaat habe verlassen müssen oder nicht mehr dorthin zurückkehren könne.[25] Dies folge aus dem Verfassungsrecht.

 

Wann eine neben den Abschiebungsschutz erforderliche Hilfestellung vorliege, hänge weitgehend von den Umständen des Einzelfalles ab. Das BVerwG hat hierzu folgende Abgrenzungsformel entwickelt: Allgemein ließe sich einerseits sagen, dass keine Rechtsstellung vorausgesetzt werde, wie sie der eines Asylberechtigten im Bundesgebiet entspreche. Auch sei keine Integrationsmöglichkeit im Drittstaat erforderlich. Vielmehr könne die Hilfestellung auch darin bestehen, dass dem Flüchtling durch den Drittstaat in ein anderes, endgültiges Zufluchtsland weitergeholfen werde. Andererseits fehlte es nach der Rechtsprechung des BVerwG an der erforderlichen Hilfestellung, wenn der »politisch Verfolgte im Drittstaat schlechthin keine Lebensgrundlage nach Maßgabe der dort bestehenden Verhältnisse hatte. Dies war dann der Fall, wenn er »im Drittstaat hilflos dem Tod durch Hunger und Krankheit ausgesetzt ist oder nichts anderes zu erwarten hat als ein Dahinvegetieren am Rande des Existenzminimums«.[26]

 

Die Reduzierung des Asylschutzes auf jene, die im Drittstaat nicht sicher waren, was nur dann nicht angenommen wurde, wenn der Flüchtling dort dem Hungertod ausgesetzt war, war damit rechtsdogmatisch bereits aus dem alten Asylgrundrecht abgeleitet worden. Die verfassungsrechtliche Drittstaatenregelung des Art. 16a Abs. 2 Satz 2 GG, die ebenfalls allein auf die Sicherheit vor Verfolgung abstellte, brachte insoweit nichts Neues. Die radikale Zuspitzung der bisherigen Rechtsdogmatik durch den verfassungsändernden Gesetzgeber lag freilich in der Abschaffung der Einzelfallprüfung im Blick auf die Sicherheit des Flüchtlings im Drittstaat.

 

4.         Die verfassungsrechtliche Aufhebung der Einzelfallprüfung

 

Die Aufhebung der Einzelfallprüfung durch Art. 16a Abs. 2 GG zerstörte das alte Asylgrundrecht und veränderte die politische Landschaft mit Folgen, die bis heute fortwirken. Im Drittstaatenurteil verschaffte das BVerfG dem verfassungsändernden Gesetzgeber gegen erhebliche völkerrechtliche Bedenken umfassend verfassungsrechtliche Legitimation, die bis heute die europäische Integration des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems stört. Zwar bekräftigte es die weitergehende Interpretation des Refoulementschutzes und bezog das Zurückweisungsverbot in den grundrechtlichen Schutzbereich ein. Der verfassungsrechtliche Schutzauftrag verpflichtete jedoch den Gesetzgeber nicht zur Schaffung wirksamer Verfahrensnormen, sondern lediglich zur normativen Vergewisserung, bevor er einen dritten Staat für sicher erklärte. Diese verfassungsrechtlich zulässige Erklärung schaffte die völkerrechtlich gebotene Einzelfallprüfung grundsätzlich ab:

 

Die normative Vergewisserungspflicht fordere vom Gesetzgeber, dass er prüfe, ob der Drittstaat nach seiner Rechtsordnung einen Ausländer nicht in den behaupteten Verfolgerstaat abschiebe, ohne vorher geprüft zu haben, ob ihm dort Verfolgung im Sinne von Art. 33 GFK oder Folter oder unmenschliche Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK drohe. Dies erfordere nicht, dass Ausländern im sicheren Drittstaat ein Prüfungsverfahren offen stehe, das im Wesentlichen dem deutschen Asylverfahren entspreche. Schutzsuchenden müsse es aber nach den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen im Drittstaat möglich sein, ein Schutzgesuch tatsächlich anzubringen und dadurch die Verpflichtung einer zuständigen Stelle zu begründen, hierüber nach vorgängiger Prüfung eine Entscheidung zu treffen. Allerdings könne der GFK weder die Verpflichtung zur Sicherstellung eines bestimmten Verfahrens entnommen werden noch habe sich insoweit eine über Art. 31 Abs. 3 Buchst. b) WVRK verbindliche Staatenpraxis herausgebildet. Jedoch dürften die Staaten durch das Unterlassen eines Verfahrens zur Prüfung der Flüchtlingseigenschaft nicht die Verpflichtungen aus der GFK unterlaufen, zumal nur durch ein in irgendeiner Weise formalisiertes Verfahren festgestellt werden könne, ob eine Abschiebung das Refoulementverbot „berühre“. [27]

 

Insbesondere an der verfassungsrechtlichen Neuschöpfung des völkerrechtsfremden Begriffs »Viertstaat« wird ersichtlich, welchen Nutzwert diese Rechtsprechung für Flüchtlinge hat: Auch ein sicherer Drittstaat, der seinerseits eine Drittstaatenregelung vorsieht, kann nach Ansicht des BVerfG gemäß Art. 16a Abs. Satz 2 GG zum sicheren Drittstaat bestimmt werden. Allerdings dürfe der dritte Staat nach seiner Rechtsordnung nicht befugt sein, Ausländer in einen solchen Staat abzuschieben, in dem ihnen die Weiterschiebung in den möglichen Verfolgerstaat drohe, ohne dass im »Viertstaat« in einem förmlichen Verfahren geprüft worden sei, ob die Voraussetzungen der Art. 33 GFK und Art. 3 EMRK vorliegen würden, oder ein dementsprechender Schutz tatsächlich gewährleistet sei. Halte sich ein Staat (Drittstaat) zur Weiterschiebung von Flüchtlingen in einen anderen Staat für befugt, obwohl dort diese Voraussetzungen nicht gegeben seien, sei die Anwendung der GFK im Drittstaat nicht sichergestellt.[28]

 

Das BVerfG machte sich blind  gegen die bilateralen Folgen seiner begrifflichen Neuschöpfung: Welches Recht hätte ein die Drittstaatenregelung ohne individuelles Prüfungsverfahren praktizierender Staat wie die Bundesrepublik, dem aus seiner Sicht sicheren Drittstaat seinerseits die Befugnis zur Praktizierung einer Drittstaatenregelung ohne Verfahren abzusprechen? Hat die Bundesrepublik nicht das Recht, dem vierten Staat die Befugnis zur Einführung einer Drittstaatenregelung ohne Verfahren zu bestreiten, löst sich die vom BVerfG an den „Viertstaat“ gerichtete Verpflichtung, ein förmliches Verfahren einzurichten, in Luft auf? Wo also endet die Kette miteinander verschachtelter Drittstaatenregelungen.[29]

 

Das alte Asylrundrecht war national entwickelt worden, obwohl es in seiner praktischen Auswirkung die Interessen vieler Transitländer berührte. Die Asylrechtsdogmatik steuerte einen internationalen Sachverhalt mit dem Auslegungsgrundsatz der Einheit der Verfassung und scheiterte kläglich. Anschaulich verdeutlicht dies der entwickelte Kernbereich des Asylgrundrechts, der zwar identisch mit dem Völkerrecht war, jedoch ohne nähere Auseinandersetzung mit diesem bestimmt wurde. So brauchte sich das BVerfG auch nicht mit völkerrechtlichen Bedenken auseinanderzusetzen: Prüfungsverfahren verfolgen den Zweck, Refoulementrisiken auf ein Minimum zu reduzieren. Sie haben entweder die Prüfung der Flüchtlingseigenschaft oder die Sicherheit im Drittstaat vor der Gefahr der Weiterschiebung in den behaupteten Verfolgerstaat zum Gegenstand. Deshalb wird die generelle Erklärung eines dritten Staates als sicher, ohne dass im Einzelfall eine Prüfung der Sicherheit des Flüchtlings zugelassen wird, als völkerrechtswidrig angesehen.[30] Aber auch wenn vor der Abschiebung die Sicherheit im dritten Staat geprüft wird, bestehen Bedenken, wenn der dritte Staat seinerseits ebenfalls lediglich die Sicherheit im nächsten Drittstaat prüft. Denn prüfen alle Staaten lediglich die Sicherheit im jeweils »dritten« Zielstaat, setzt der erste die Abschiebung in Gang setzende Staat eine endlose Orbitkette in Gang. Formal wird dem Refoulementverbot Genüge getan, weil jeder abschiebende Staat sich damit rechtfertigen kann, dass der aus seiner Sicht dritte Staat nicht in den Herkunftsstaat weiterschiebt. Die dadurch ausgelöste endlose Orbitkette macht jedoch die effektive Erfüllung völkerrechtlicher Verpflichtungen aus Art. 33 GFK unmöglich, da sie jegliche Staatenverantwortlichkeit auflöst und Flüchtlinge einem ungewissen Schicksal aussetzt mit einem hohen Risiko, irgendwann durch irgendeinen der abschiebenden Staaten in den Verfolgerstaat abgeschoben zu werden.[31]

 

Das Refoulementverbot ist nach „Treu und Glauben“ auszulegen (Art. 31 Abs. 1 WVRK). Eine endlose Orbitkette, deren Ingangsetzung mit dem Begriff „Viertstaat“ zugelassen wird, macht die effektive Erfüllung völkerrechtlicher Verpflichtung aus Art. 33 GFK unmöglich. Die Staaten haben ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen im Einzelfall zu identifizieren. Eine Verweisung des Flüchtlings an einen dritten Staat ist zwar erlaubt, vorausgesetzt, er genießt dort effektiven Refoulementschutz. Der abschiebende Staat muss sich daher im konkreten Einzelfall vergewissern, dass der dritte Staat nicht in den Herkunftsstaat weiterschiebt. Der effektivste Schutz gegen dieses Risiko ist der uneingeschränkte Zugang zu einem Verfahren, in dem die Flüchtlingseigenschaft geprüft wird.[32]

  

Die feierlich beschworene nationale Errungenschaft des Flüchtlingsschutzes löste sich in der nationalistisch und rassistisch aufgeheizten Dynamik nach dem Wegfall der Bipolarität auf. Das Drittstaatenurteil bedient die damals hochgeputschten gesellschaftlichen Ängste vor „massenhafter Armutseinwanderung“ mit der Hervorhebung „weltweiter Flucht- und Wanderungsbewegungen.“[33] Der ängstliche Blick auf diese Bewegungen versperrte dem BVerfG den Blick auf die aus dem völkerrechtlichen Refoulementschutz folgenden Verpflichtungen.[34]

 

5.         Die verfassungsrechtliche Aufhebung des Grundrechts auf Asyl

 

Zwar ist die Grundrechtsgewährleistung des Art. 16a Abs. 1 GG mit dem Wortlaut von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG identisch. Die Drittstaatenregelung und die weiteren Einschränkungen der nachfolgenden Regelungen heben das Asylgrundrecht jedoch auf. Das BVerfG hat angedeutet, dass der verfassungsändernde Gesetzgeber nicht daran gehindert sei, das Grundrecht auf Asyl als solches aufzuheben.[35] Auch wenn er diesen Weg nicht hat beschreiten wollen, hat er mit der Gesamtregelung des Art. 16a GG das in Abs. 1 normativ belassene Asylgrundrecht dennoch faktisch abgeschafft. Der durch die neue Bestimmung eingeführte Mechanismus der Selbstauflösung eines Grundrechts ist andererseits entgegen anfänglichen Befürchtungen historisch singulär geblieben. Umso schmerzhafter wirkt der faktische Verlust eines der historisch wichtigsten Grundrechte der Verfassung.

 

Die Literatur hatte vor dem Drittstaatenurteil erhebliche dogmatische Bedenken gegen das neue „Asylgrundrecht“ erhoben. Der verfassungsändernde Gesetzgeber habe in einem für eine Verfassungsvorschrift ungewöhnlich detaillierten Normprogramm durch die Verbindung von materiellrechtlichen, verfahrensrechtlichen und verwaltungsprozessualen Bestimmungen den Versuch unternommen, durch eine Fixierung der Bemühungen auf das Asylgrundrecht der Zuwanderung Herr zu werden.[36] Das Ergebnis des politischen Kompromisses sei ein »gravierender verfassungssystematischer Stilbruch«. Der »monströse Wortlaut« von Art. 16a GG stelle nicht nur die mit Abstand umfangreichste Grundrechtsnormierung dar, sondern der verfassungsändernde Gesetzgeber habe sich auch einer bisher weitgehend ungewohnten Regelungstechnik bedient.[37] Zwar werde der weiterhin gewünschte Schutz der politisch Verfolgten durch das Individualgrundrecht des Art. 16 a Abs. 1 GG gewährleistet.[38] Statt die Schutzbereichsaussage des Grundrechts zunächst absolut zu setzen und durch einige wenige Hauptbestandsmerkmale gegenständlich zu umreißen, habe der Schutzbereich des Art. 16a Abs. 1 GG in den folgenden Absätzen jedoch eine umfangreiche Ausdifferenzierung erfahren. Diese Regelungstechnik sei Ausdruck einer Abkehr von den Regelungsstrukturen des Grundgesetzes und mit erheblichen verfassungsfunktionellen Defiziten verbunden. Sollte das Beispiel des Art. 16a GG Schule machen, könnte auf Dauer die Leistungsfähigkeit und normative Kraft der Verfassung insgesamt nachhaltig beeinträchtigt werden.[39]

 

In den Grundrechten manifestiert sich die freiheitssichernde Funktion der Verfassung. Zwar können grundrechtliche Gewährleistungen durch Vorbehalte und Schranken in vielfacher Weise begrenzt werden. Voraussetzung derartiger Eingriffs- und Regelungsvorbehalte ist jedoch, dass zunächst der präzise Schutzbereich der grundrechtlichen Gewährleistungsnorm bestimmt und im Lichte dieser Inhaltsbestimmung die Grenzen derartiger Vorbehalte im Einzelnen ausgeleuchtet und präzisiert werden. Der Kerngehalt der grundrechtlichen Freiheit bleibt gegenüber verfassungsrechtlich zulässigen Begrenzungs- oder Eingriffsmöglichkeiten durch den Gesetzgeber vorausliegend. Das ist eine unmittelbare Folgerung aus dem grundrechtstheoretischen Ausgangspunkt, dass die Freiheit des Einzelnen rechtlich gesehen, prinzipiell unbegrenzt, die Befugnis des Staates zu Eingriffen hingegen prinzipiell begrenzt ist.[40] Dementsprechend hätte die Drittstaatenregelung des Art. 16a Abs. 2 GG von der Asylrechtsgewährleistung des Art. 16a Abs. 1 GG her ausgelegt und angewendet werden müssen. Denn erst nach Festlegung des asylrechtlichen Schutzbereichs können üblicherweise Eingriffe in diesen in ihrem Umfang und ihren Grenzen bestimmt werden  

 

Das BVerfG geht jedoch den umgekehrten Weg, bestimmt ausschließlich Inhalt und Umfang der einschränkenden Regelungen und lässt damit den Inhalt des Grundrechts offen. Dadurch schafft es verfassungsändernden Gesetzgeber nachträglich die für die Abschaffung des Grundrechts erforderliche Legitimation. Unvermittelt bezieht es sich auf die bereits zuvor im Schrifttum[41] formulierte Lehre von der materiellen Beschränkung des persönlichen Geltungsbereichs der Asylrechtsgewährleistung[42] mit der Folge, dass das Asylgrundrecht bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 16a Abs. 2 GG erst gar nicht zur Entstehung gelangt. Der Regelungsgehalt des Grundrechts nach dem ersten Absatzes wird damit erst durch die Einbeziehung der weiteren Absätze erschlossen. Das Grundrecht kann danach nur das gewähren, was durch die nachfolgenden Absätze nicht ausgeschlossen wird.[43] Die Einheit der Verfassung kann das neue Grundrecht nicht retten. Die grundrechtssichernde Funktion der Verfassung kommt vielmehr beim Asylgrundrecht erst gar nicht zum Tragen, da die Bundesrepublik von sicheren Drittstaaten umgeben ist. Die Asylrechtsdogmatik schafft sich zusammen mit dem Asylgrundrecht selbst ab. Folgerichtig verstummte die verfassungsrechtliche Kritik der herrschenden Verfassungsinterpreten nach dem Drittstaatenurteil.

 

II.       Verfassungsrechtlicher Rechtschutz

 

Mit der Abschaffung der Einzelfallprüfung einher ging die Zerstörung der Königsnorm der Grundrechte. Tiefer ist ein Fall kaum vorstellbar. Voller Stolz verlieh das BVerfG in der ersten Entscheidung zum Asylrecht dem Grundrecht höchste Weihen. Dahinter konnten andere nationale Asylsysteme nur noch weit zurückfallen: Durch Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG ist das Asylrecht zum Grundrecht erhoben worden. Das Grundgesetz hat damit das Asylrecht, über das Völkerrecht und das Recht anderer Staaten hinausgehend, als subjektiv öffentliches Recht ausgestaltet.[44] Doch der Keim für die Zerstörung dieses Grundrechtscharakters war durch die fachgerichtliche und vom BVerfG bestätigte Reduzierung des Asylgrundrechts auf den bloßen Refoulementschutz bereits gelegt worden. Den Stürmen Anfang der 1990er Jahre hielt die Königsnorm der Verfassung nicht stand. Unterstützung durch das BVerfG erhielt sie nicht. So tief ist kein anderer Vertragsstaat der Konvention gefallen:

 

Nach Art. 16a Abs. 2 Satz 3 GG können in den Fällen des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf geltend gemacht werden. Diese Formulierung legt es nahe, den Sinn der verfassungsrechtlichen Regelung darin zu sehen, dass sie entsprechende Beschränkungen des vorläufigen Rechtsschutzes durch den Gesetzgeber zulässt, sodass die gerichtliche Aussetzung des Vollzugs der Abschiebung im Einzelfall unter engen Voraussetzungen zulässig ist.[45] Dagegen wendet sich Art. 16a Abs. 2 Satz 3 GG nach Ansicht des BVerfG nicht nur an den Gesetzgeber, sondern auch unmittelbar an Behörden und Gerichte.[46] Inhalt von Art. 16a Abs. 2 Satz 3 GG sei nicht nur der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs mit der Folge, dass den Gerichten die Befugnis verbliebe, den Vollzug auszusetzen. Vielmehr wird den Behörden die Befugnis übertragen, ohne Rücksicht auf Einwände gegen die fehlende Sicherheit im sicheren Zielstaates sofort zu vollziehen.[47]

 

Das BVerfG begründet seine Ansicht damit, dass Art. 16a Abs. 2 Satz 3 GG von Verfassungs wegen an den Ausschluss vom persönlichen Geltungsbereich des Asylgrundrechts gemäß Art. 16a Abs. 2 Satz  1 GG und den damit einhergehenden Wegfall des vorläufigen Bleiberechts Rechtsfolgen für das Verfahren der Vollziehung von Maßnahmen knüpfe, die den Ausländer in einen sicheren Drittstaat zurückführen sollten.[48] Es  leitet damit den »absoluten Ausschluss« des vom Inland betriebenen vorläufigen Rechtsschutzes aus der Funktionslogik der Drittstaatenregelung ab. Diese wurde in der Literatur darin gesehen, dass die Drittstaatkonzeption ohne die »rigide Negation« des vorläufigen Rechtsschutzes leerzulaufen drohe. Nach dem erklärten und objektivierten Willen des verfassungsändernden Gesetzgebers verstehe sich Art. 16a Abs. 2 Satz 3 GG daher als »verfassungsrechtliches Verbot«, die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen durch richterliche Entscheidung auszusetzen.[49]

 

Die Abschaffung des Eilrechtsschutzes beschreibt das BVerfG als Modifizierung der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG. Ob die in Art. 20 GG niedergelegten Grundsätze ein rechtsstaatliches Prinzip individuellen Rechtsschutzes, das in Art. 19 Abs. 4 GG konkretisiert sei, für unabänderlich erklärten, könne offen bleiben. Art. 16a Abs. 2 Satz 3 GG berühre einen solchen Grundsatz nicht. Der Asylsuchende werde zwar ohne vorgängige Prüfung durch eine Kontrollinstanz sofort in den sicheren Drittstaat zurückverbracht. Dieser Maßnahme sei aber eine normative Vergewisserung über die Sicherstellung der Anwendung der GFK und EMRK im Drittstaat vorangegangen.[50] Dies ist konsequent, nachdem das BVerfG zuvor den personellen Schutzbereich des Asylgrundrechts in Luft aufgelöst hat. Denn Träger des Grundrechts aus Art. 19 Abs. 4 GG kann nur sein, wer Inhaber eines Grundrechts oder eines sonstigen subjektiven Rechts sein kann.[51] Dementsprechend knüpft nach Ansicht des BVerfG der Eilrechtsausschluss des Art. 16a Abs. 2 Satz 3 GG von Verfassungs wegen an den Ausschluss vom persönlichen Geltungsbereich des Asylgrundrechts gemäß Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG an.[52] Es fehlt damit an einem Grundrecht, das im Rahmen des Art. 19 Abs. 4 GG erheblich werden könnte. Doch es folgte eine dritte, bislang nicht abgeschlossene Phase des Asylrechts.

 

C.        Eindämmung des deutschen Sonderwegs durch die europäische Integration

 

I.         Flüchtlingsschutz als gemeinsame europäische Aufgabe

 

Flüchtlingsschutz ist traditionell Aufgabe der einzelnen Vertragsstaaten. Die einzelstaatliche Prägung des völkerrechtlichen Flüchtlingsrechts hatte in den 1970er Jahren schwerwiegende Defizite im System des Flüchtlingsschutzes in Europa hervorgerufen. Da das Völkerrecht eine staatliche Verpflichtung für die Aufnahme von Flüchtlingen nicht kennt, entwickelte sich zwischen den alten europäischen Staaten ein negativer Kompetenzkonflikt auf dem Rücken der Flüchtlinge. Das hierdurch verursachte Problem der refugees in orbit veranlasste in den 1980er Jahren die europäischen Staaten, für ihren Bereich gemeinsame Konzepte zu entwickeln, um Flüchtlingen sicheren Schutz zu bieten. Diese Konzepte wurden zunächst in Formen der Regierungszusammenarbeit und anschließend durch Übernahme des Flüchtlingsrechts ins Unionsrecht entwickelt. Aus historischer Sicht hatte dieses Streben nach koordinierten Absprachen im Flüchtlingsrecht seinen Grund in der sich seit Mitte der 1980er Jahre verstärkenden Integration nationaler Märkte. Endziel der Integration ist der gemeinsame Binnenmarkt und der gemeinsame Raum der Freizügigkeit für alle Unionsbürger. Dies setzt die Abschaffung der Grenzen zwischen den europäischen Staaten einerseits und die gemeinsame Kontrolle der Außengrenzen andererseits voraus. Unabweisbar stand von Beginn der Integration der europäischen Staaten an deshalb die Flüchtlingsfrage auf der Tagesordnung, da eine Fortführung der negativen Kompentenzkonflikte der 1970er Jahre der europäischen Integration zuwidergelaufen wäre.[53]

 

In der beschriebenen Übergangsphase zwischen der Regierungszusammenarbeit mittels Abkommen und der Übertragung nationaler asylrechtlicher Kompetenzen auf die Union schuf der verfassungsändernde Gesetzgeber das neue Asylrecht. Art. 16a Abs. 5 GG war auf die europäische Regierungszusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten, die Drittstaatenregelung auf die Zurückdrängung der Asylsuchenden an östliche Nachbarstaaten gemünzt. Die den Asylkompromiss tragenden Parteien versprachen sich für die Lösung der Wanderungsbewegungen aus dem Osten nichts von der sich entwickelnden europäischen Integration. Deshalb wurde handstreichartig der nationale Sonderweg gewählt, der heute die europäische Integration im Asylrecht so stark belastet. Am 6. Dezember 1992, nur wenige Tage nach Verabschiedung der Londoner Beschlüsse der Einwanderungsminister, welche für die durch Art. 3 Abs. 5 des Dubliner Übereinkommen zugelassenen nationalen Drittstaatenregelungen die Durchführung der Einzelfallprüfung vorsahen,[54] einigte sich die große Sachkoalition in Deutschland auf die Abschaffung der Einzelfallprüfung und des Eilrechtsschutzes und betrieb beschleunigt die beschlossene Verfassungsänderung.[55] In der Folgezeit wurde die Hervorbringung der einzelnen Rechtsakte des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems durch das deutsche Bestreben belastet, die eigenen nationalen Instrumente zum verbindlichen Inhalt des Unionsrechts zu machen, jedenfalls hierfür Optionsklauseln durchzusetzen. Die Folge für die nationale Rechtsanwendung in Deutschland ist insbesondere im Eilrechtsschutz die systemwidrige Anwendung der Drittstaatenregelung auf den Rechtsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten.

 

Nur 17 Monate nach dem Drittstaatenurteil des BVerfG wurde der Amsterdamer Vertrag verabschiedet und übertrug Deutschland mit Zustimmung zu diesem Vertrag seine Hoheitsrechte für „Asyl und Einwanderung“ auf die Gemeinschaft. Ein eigenständigen Sachbereich, der vom Zustimmungsakt nicht erfasst worden wäre, jedenfalls soweit es um die Überstellung zwischen Mitgliedstaaten geht, besteht nicht mehr. Damit hat sich 2013 die verfassungsrechtliche Situation gegenüber 1993 grundlegend verändert. Seitdem ist das deutsche Asylrecht ein Bauelement im europäischen Asylsystem, das dem Grundrecht auf Asyl nach Art. 18 der Charta zur praktischen Wirksamkeit verhilft. Der radikale Schlag gegen das Asylrecht von 1993 scheint sich damit nachträglich als Schlag ins Wasser zu erweisen, auch wenn die europäische Integration den angerichteten politischen Flurschaden kaum beheben kann.

 

Kann die unionsrechtliche Entwicklung das deutsche Asylrecht eindämmen? Oder brechen sich die deutschen Sonderwege eine Bahn in die europäische Integration? Ob die hier abgegebene Prognose des Fehlschlags der 1993er Reform zutrifft, wird davon abhängen, dass bei der Entwicklung des europäischen Asylsystems deutsche Hegemonialbestrebungen unionsrechtlich gebrochen oder jedenfalls entschärft werden können. Die Entwicklung der europäischen Rechtsprechung seit 2011 und die Diskussion um die Änderungen der Rechtsakte scheinen die Prognose zu bestätigen. Dies soll belegt werden. 

 

II.       Das deutsche Asylrecht im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem

 

Das Bundesverfassungsgericht sah in Art. 16a Abs. 5 GG die verfassungsrechtliche Grundlage, um durch völkerrechtliche Vereinbarungen der Zuständigkeit für die Prüfung von Asylbegehren eine „europäische Gesamtregelung der Schutzgewährung für Flüchtlinge mit dem Ziel einer Lastenverteilung zwischen den an einem solchen System beteiligten Staaten zu erreichen.“ „Unbeschadet derartiger Regelungen auf der Ebene des Völkerrechts“ wende sich hingegen die Drittstaatenregelung des Art. 16a Abs. 2 GG von dem bis dahin verfolgten Konzept ab, die Schutzgewährung für Flüchtlinge „allein durch Regelungen des innerstaatlichen Rechts zu lösen.“[56] Art. 16a Abs. 2 GG ist jedoch in einem auf dem Völkerrecht beruhenden System der gerechten Lastenverteilung ein Fremdkörper, da er einseitig die Interessen der Bundesrepublik verfolgt, die Interessen der nicht dem System der Lastenverteilung angehörenden Vertragsstaaten des Europarates demgegenüber vollständig unberücksichtigt lässt. Die Zuständigkeitsabkommen waren nicht das Vorbild für die Drittstaatenregelung des Art. 16a Abs. 2 GG.[57] Aus dem Zusammenspiel der Regelungen in Art. 16a Abs. 2 und Art. 16a Abs. 5 GG wird vielmehr die Entstehung eines »hinkenden« europäischen Systems der Lastenverteilung erkennbar. Im Westen wurde unter den Bedingungen von 1993 ein multilaterales System des Lastenausgleichs, nach Osten hin eine Politik der Abdrängung der Flüchtlingslast praktiziert.

 

Das BVerfG hatte es versäumt, dem Gesetzgeber aufzuerlegen, die Drittstaatenregelung des Art. 16a Abs. 2 GG in völkerrechtlich tragfähiger Weise umzusetzen. Die verfassungsrechtliche Interpretation des Art. 16a Abs. 2 GG ist ausschließlich nationalstaatlich orientiert. Für die praktische Umsetzung dieser Verfassungsnorm sind nicht einmal bilaterale Abkommen erforderlich. Die einzige Voraussetzung ist, dass der Gesetzgeber die Anforderungen des Konzeptes der normativen Vergewisserung beachtet. Andererseits tritt jedoch die Drittstaatenregelung hinter völkerrechtliche Vereinbarungen im Sinne des Art. 16a Abs. 5 GG zurück.[58] Bis heute wenden jedoch deutsche Verwaltungsgerichte insbesondere bei der Prüfung des Eilrechtsschutzes gegen unionsrechtlich geregelte Überstellungen die verfassungsrechtliche Drittstaatenregelung an. Der deutsche Sonderweg scheint sich seine Bahn ins Europarecht gebrochen zu haben. Aber eröffnet der Völkerrechtsvorbehalt des Art. 16a Abs. 5 GG überhaupt den verfassungsrechtlichen Zugang zur europäischen Integration?

 

Der verfassungsrechtliche Auftrag des Art. 16 a Abs. 5 GG ging entstehungsgeschichtlich dahin, mit Hilfe multilateraler Abkommen den Rechts- und Abschiebungsschutz für Flüchtlinge in Europa schrittweise fortzuentwickeln, um so die allein nationalstaatlich orientierte Lösung des Art. 16a Abs. 2 GG überflüssig zu machen. Das vom BVerfG formulierte verfassungsrechtliche Ziel war mithin die Auflösung des »hinkenden« Systems der Lastenverteilung durch Schaffung einer gesamteuropäischen multilateralen Lösung.[59] Dass aufgrund der nachträglichen europäischen Entwicklung die in Art. 16a Abs. 5 GG angesprochenen völkerrechtlichen Vereinbarungen in ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem überführt werden würden, konnten weder der verfassungsändernde Gesetzgeber noch das BVerfG im Zeitpunkt ihrer jeweiligen Entscheidungen voraussehen. Ungeachtet dessen beschreibt die aus der Abgrenzung zur Drittstaatenregelung hervorgehende Funktion des Völkerrechtsvorbehalts zielgenau die ursprüngliche verfassungsrechtliche Konzeption des Art. 16a GG, nämlich das gesamte nationale Asylrecht in ein europäisches Asylsystem zu überführen und dadurch auf einseitige, allein nationalstaatlich ansetzende operative Lösungsversuche im Asylrecht vollständig zu verzichten.

 

Diese verfassungsrechtliche Situation ist seit dem Amsterdamer Vertrag historisch überholt. Die europäische Integration im Asylrecht ist von der Regierungszusammenarbeit durch Abkommen in die Phase des Gemeinsamen Europäischen Asylrechts übergegangen. Weder die Drittstaatenregelung noch der Völkerrechtsvorbehalt können unabhängig vom Unionsrecht Geltung verlangen. Der verfassungsrechtliche Ort des deutschen Asylrechts ist nunmehr die Integrationsermächtigung des Art. 23 GG. Bereits nach seinem Wortlaut kann Art. 16a Abs. 5 GG, der auf völkerrechtliche Verträge verweist, nicht auf supranationales Recht angewandt werden. Darüber hinaus wurde schon im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verfassungsnorm kritisiert, dass auf der Grundlage dieser Norm keine weitergehenden Schritte zur Harmonisierung der materiellen und verfahrensmäßigen Standards des Asylrechts in Europa durchgeführt werden können,[60] weil durch deren gegenständliche Beschränkung auf „Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren“ sowie die „gegenseitige Anerkennung von Asylentscheidungen“ die Fortentwicklung des europäischen Asyl- und Flüchtlingsrechts jeweils erneute Verfassungsänderungen erforderlich machten.[61] Allgemein wird daher davon ausgegangen, dass Art. 23 GG die verfassungsrechtliche Grundlage für die Übertragung asylrechtlicher Kompetenzen auf die Union ist, weil diese Norm eine Übertragung von Hoheitsrechten an die Union erlaubt, ohne die übertragbaren Hoheitsrechte thematisch einzuschränken. Daher ist die Bundesrepublik auch im asylrechtlichen Bereich nach Art. 23 GG berechtigt, Kompetenzen an die Union zu übertragen, soweit diese vergleichbaren Schutz vor Verfolgung bietet.[62] Verfassungsrechtliche Grundlage der gemeinschaftsrechtlichen Harmonisierung ist damit nicht der ausdrücklich auf völkervertragliche Regelungen bezogene und darüber hinaus gegenständlich beschränkte Art. 16a Abs. 5 GG, sondern die allgemeine unionsrechtliche Öffnungsklausel des Art. 23 GG. Diese verfassungsrechtliche Entwicklung hat den Völkerrechtsvorbehalt seiner praktischen Wirksamkeit beraubt.[63]

 

Ist verfassungsrechtlicher Ort der unionsrechtlichen Harmonisierung im Bereich des Asyl- und Flüchtlingsrechts Art. 23 GG, verdrängt der europarechtliche Anwendungsvorrang die verfassungsrechtliche Asylrechtsnorm in ihrer Gesamtheit und damit auch die Drittstaatenregelung des Art. 16a Abs. 2 GG. Die Bedeutung des Art. 23 GG besteht darin, durch die Übertragung von Hoheitsrechten auf die Union die deutsche Rechtsordnung derart zu öffnen, dass der ausschließliche Herrschaftsanspruch der Bundesrepublik im Geltungsbereich des Grundgesetzes zurückgenommen und der unmittelbaren Geltung und Anwendbarkeit eines Rechts aus anderer Quelle innerhalb des staatlichen Herrschaftsbereichs Raum gelassen wird.[64] Es handelt sich bei Art. 23 GG um eine Schlüsselnorm der Gesamtverfassung. Die Verfassung war von Anfang an offen für eine Entwicklung, im Zuge derer der ausschließliche Herrschaftsanspruch des Bundesrepublik Deutschland zurückgenommen und der unmittelbaren Anwendbarkeit einschließlich des Vorrangs des Europarechts Raum gegeben wird.[65] Damit wird nicht nur die unmittelbare Geltung des Unionsrechts im Bundesgebiet ermöglicht, sondern auch dessen Vorrang vor deutschem Recht.[66]

 

Der Anwendungsvorrang des Europarechts wurde zunächst in der Rechtsprechung des EuGH entwickelt und mit der notwendigen einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts und mit der Funktionsfähigkeit der Gemeinschaft begründet. Die Herleitung des Anwendungsvorrangs durch den Gerichtshof aus Unionsrecht selbst sowie auch sein absoluter Charakter[67] werden allerdings vom Bundesverfassungsgericht nicht anerkannt. Seiner Ansicht nach folgt der Anwendungsvorrang erst aus dem in Übereinstimmung mit der verfassungsrechtlichen Integrationsermächtigung des Art. 23 Abs. 1 GG ergangenen – die ungeschriebene Vorrangregel rezipierenden – Zustimmungsgesetz zu den Gemeinschafts- und Unionsverträgen und dem in ihnen enthaltenen Anwendungsbefehl. Denn Art. 23 Abs. 1 GG ordne die unmittelbare und vorrangige Anwendbarkeit des von der Gemeinschaft gesetzten Rechts nicht schon von selbst an.[68] Danach komme dem Gemeinschaftsrecht zwar grundsätzlich Vorrang vor dem innerstaatlichen Recht aufgrund des im Zustimmungsgesetz enthaltenen Rechtsanwendungsbefehls zu.[69] Dieser Vorrang könne aber nicht weiter gehen, als das mit diesem Gesetz akzeptierte „Integrationsprogramm“ mit seinen Kompetenznormen vorsehe, zulasse und zulassen dürfe.[70] Dieser Streit kann jedoch auf sich beruhen, weil er im Asylrecht keine Auswirkung hat. Wie aber verläuft die rechtliche Entwicklung des Asylsrechts in einem unionsrechtlich durchdrungenen deutschen Rechtssystem? Dies soll angesichts ihrer Bedeutung am Beispiel der Drittstaatenregelung und der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (Dublin II-V0) und aufgezeigt werden.

 

III.      Recht auf Asyl in der Union

 

Die Union hat sich das Ziel gesetzt, schutzbedürftigen Personen in der Union Aufnahme zu gewähren. Dementsprechend bestimmt Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 343/2003, dass die Mitgliedstaaten jeden Asylantrag prüfen, der an der Grenze oder oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates gestellt wird. Dieser Antrag wird nur von einem, dem zuständigen Mitgliedstaat geprüft. Der nicht zuständige Mitgliedstaat ist befugt, den Asylsuchenden an den zuständigen zu überstellen. Anstatt ihn zu überstellen,  kann er ihn jedoch auch nach Maßgabe von Art. 3 Abs. 3 der Verordnung in einen („sicheren“) Drittstaat abschieben. Abschiebungen in „sichere“ Drittstaaten sind jedoch nach deutschem Recht derzeit rechtlich nicht denkbar, weil nur Norwegen und die Schweiz (vgl. Anlage I zu § 26a AsylVfG) gelistet und beide inzwischen Beteiligte im Dubliner System sind. Asylsuchende, die aus diesen Staaten einreisen, werden nach Maßgabe dieses Systems überstellt. Der unionsrechtliche Rechtsakt, der den Rechtsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten regelt, gibt den Mitgliedstaat damit die Kompetenz, Drittstaatenregelungen anzuwenden. Diese müssen allerdings den Anforderungen der Verfahrensrichtlinie genügen. Bleibt der Asylsuchende im Unionsgebiet, wird ihm ein verfahrensabhängiges Aufenthaltsrecht gewährt (Art. 7 Abs. 1 RL 2005/85/EG) und nach der Statuszuerkennung ein Aufenthaltstitel (Art. 24 RL 2004/83/EG). Drittstaatenregelungen im europäischen System laufen dem gemeinsamen Ziel der Aufnahme von Flüchtlingen zuwider und schieben das die 1970er Jahre prägende europäische Phänomen „refugee in orbit“ in die nichteuropäische Umlaufbahn. Dies soll hier aber nicht vertieft werden. Vielmehr erfasst der Blick des Jahres 2013 auf die Asylreform von 1993 die unionsrechtlichen Folgen, die sich für diese Reform aus der Eindämmung des deutschen durch das asylrechtliche Unionsrecht ergeben.

 

Eher beiläufig hat der EuGH bei der Prüfung des Verfahrens der Überstellung zwischen den Mitgliedstaaten festgestellt, dass nicht nur im Rechtsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten, sondern auch bei der Anwendung nationaler Drittstaatenregelungen eine unwiderlegliche Sicherheitsvermutung mit Unionsrecht unvereinbar ist. Eine derartige nationale Regelung stellte die Garantien in Frage, mit denen der Schutz und die Beachtung der Grundrechte durch die Union und ihre Mitgliedstaaten sichergestellt werden sollen.[71] Der EuGH bezog sich dabei auf Art. 36 RL 2005/85/EG (Verfahrensrichtlinie), der den Mitgliedstaaten die Option einräumt, „keine oder keine umfassende“ Prüfung der Sicherheit im Drittsstaat vorzunehmen. Damit stellte er klar, dass derartige Klauseln nur nach Maßgabe des Unionsrechts beansprucht werden dürfen. Obwohl die Schöpfungen des Exekutivföderalismus, das Sekundärrecht, in Art. 36 Abs. 1 RL 2005/85/EG die unwiderlegliche Sicherheitsvermutung zulässt, ist sie aufgrund der Vorgaben des EuGH grundrechtskonform im Sinne einer widerleglichen Vermutung zu korrigieren. Der Trend im Unionsrecht geht damit auf ein Asylrecht in der Union.

 

Dem steht nicht entgegen, dass die Spitze der europäischen Exekutive, der Rat, in Art. 39 Abs. 1 des Entwurfs der Änderungsrichtlinie zur Verfahrensrichtlinie starrsinnig auf Beibehaltung des alten Wortlaut von Art. 36 Abs. 1 RL 2005/85/EG beharrt, den Mitgliedstaaten also weiterhin die Kompetenz belässt, unwiderlegliche Vermutungen beizubehalten.[72] Denn die primärrechtskonforme Auslegung des Sekundärrechts verpflichtet die Mitgliedstaaten, eine Einzelfallprüfung durchzuführen. Nach dem EuGH sieht Art. 36 Abs. 2 Buchst. a) und c) RL 2005/85/EG und damit auch Art. 39 Abs. 2 Buchst. a) und c) des Entwurfs der Änderungsrichtlinie vor, dass ein Drittstaat nur dann als „sicherer Drittstaat“ betrachtet werden kann, wenn er die GFK und EMRK nicht nur ratifiziert hat, sondern ihre Bestimmungen auch einhält. Daraus folgert er, eine solche Formulierung weise darauf hin, „dass die bloße Ratifizierung der Konventionen durch einen Staat nicht eine unwiderlegbare Vermutung ihrer Einhaltung durch diesen Staat zur Folge haben kann. Dieser Grundsatz gilt sowohl für die Mitgliedstaaten als auch für Drittstaaten.“[73]

 

Das Beharren der Exekutive auf der alten Formulierung belegt, dass die europäische Integration ein höchst widersprüchlicher und stark von nationalen Interessen geprägter Prozess ist. Weder die Kommission noch der Rat haben im Änderungsentwurf der Verfahrensrichtlinie den Wortlaut der Drittstaatenregelung an die Rechtsprechung des EuGH angepasst. Die gegenüber dem Rat schwache Kommission wollte wohl den Streit mit diesem vermeiden, der Rat auf deutsche Befindlichkeiten Rücksicht nehmen. Denn bislang praktiziert allein die Bundesrepublik eine unwiderlegliche Sicherheitsvermutung. Scheinbar konnte diese erneut ihre nationalen Interessen verteidigen. Doch das nützt ihr nichts, erstens, weil ihr eigenes Recht keine „sicheren Drittstaaten“ mehr listet; zweitens, der Exekutivföderalismus an grundrechtliche Grenzen stößt. Es ist politisch kaum vorstellbar, dass die Bundesrepublik es wagen wird, neue „sichere Drittstaaten“ zu listen und damit in offenen Konflikt mit dem unionsrechtlichen Anwendungsvorrang zu geraten und den EuGH zu provozieren. Die Drittstaatenregelung kann nicht der „integrationsfesten Identität der Verfassung“ zugerechnet werden.[74] Das BVerfG hat vielmehr festgestellt, die Drittstaatenregelung berühre nicht die in Art. 79 Abs. 3 GG niedergelegten Grundsätze.[75] Es kann folglich auch nicht argumentiert werden, sie werde durch diese Grundsätze gefordert. Es ist also kaum vorstellbar, dass sich das BVerfG in dieser Vfrage in Position gegen den EuGH bringen würde. Politisch hat das über Jahrzehnte so kontrovers diskutierte Konzept der normativen Vergewisserung ausgedient. Art. 16a Abs. 2 Satz 1 und 2 GG sind gegenstandslos.

 

III.      Recht auf wirksamen Rechtsschutz (Art. 47 GRCh).

 

Das normative Vergewisserungskonzept und der Ausschluss des Eilrechtsschutzes bedingen einander, das eine ist ohne das andere nicht denkbar. Da nach Unionsrecht die Fortführung dieses Konzepts unzulässig ist, stellt sich die Frage nach der Weitergeltung von Art. 16a Abs. 2 Satz 3 GG. Darf nach deutschem Recht weiterhin der Eilrechtsschutz ausgeschlossen werden?

 

Der EuGH hat festgestellt, aus dem allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts, dass alle Entscheidungen einer nationalen Behörde gerichtlich überprüfbar sein müssten, ergebe sich insbesondere im Hinblick auf die Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung einer nationalen Behörde, dass ein mit einem nach Unionsrecht zu beurteilenden Rechtsstreit befasstes nationales Gericht in der Lage sein müsse, einstweilige Anordnungen zu erlassen, um die volle Wirksamkeit der späteren Gerichtsentscheidung über das Bestehen der aus dem Unionsrecht hergeleiteten Rechte sicherzustellen.[76] Daher kommt der Rechtsschutzgewährleistung des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG aus europarechtlicher Sicht dienende Funktion zu. Aus dem aus allgemeinen Grundsätzen wie auch aus Art. 47 GRCh abgeleiteten Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz folgt als immanenter Bestandteil dieses Grundrechts ein grundrechtlicher Anspruch auf Eilrechtsschutz zur Sicherstellung der vollen Wirksamkeit unionsrechtlich begründeter Rechtspositionen. Es obliegt den nationalen Gerichten, die im Rahmen ihrer Zuständigkeit das Unionsrecht anzuwenden haben, entsprechend dem primärrechtlich verankerten Grundsatz der Mitwirkungspflicht die volle Wirkung seiner Bestimmungen zu gewährleisten, die sich für den Einzelnen aus der unmittelbaren Wirkung des Unionsrechts ergibt.[77] Der nationale Richter übernimmt damit die Funktion eines europäischen Richters. Eine nationale Rechtsvorschrift, welche die Durchsetzung der vollen Wirksamkeit europarechtlicher Schutzpositionen im Eilrechtsschutzverfahren hindert, darf der nationale Richter nicht anwenden. Diese Verpflichtung trifft nach dem Anwendungsvorrang jeden nationalen Richter.

 

Mit der Übertragung der Asylrechtskompetenz auf die Union hätte deshalb an sich Art. 16a Abs. 2 Satz 3 GG und § 34a Abs. 2 AsylVfG nicht mehr angewandt werden dürfen. Dementsprechend empfahl die Kommission in ihrem Vorschlag zur Überführung der Dubliner Konvention in das Unionsrecht, dass gegen die Überstellung ein gerichtlicher Rechtsbehelf eingelegt werden könne, der keine aufschiebende Wirkung habe.[78] Damit wurde die Möglichkeit eröffnet, Eilrechtsschutz gegen Überstellungen zu beantragen. Die Bundesregierung wandte sich jedoch vehement gegen diesen Vorschlag. Folge ist eine umstrittene Rechtsschutzklausel in der Verordnung, die nach deutscher Auffassung den vollständigen Eilrechtsausschluss zulässt. Die Rechtsschutzklausel der Verordnung ist indes ein höchst kompliziertes Kompromisskonstrukt. Da sämtliche Rechtsakte im Bereich des Asylrechts den Mitgliedstaaten den Prozess der Angleichung ihrer nationalen Rechtsvorschriften an einen verbindlich vorgegebenen Mindeststandard erleichtern sollen, wird ihnen lediglich für eine Übergangszeit das Recht eingeräumt, ihre bisherige, den Mindeststandard unterschreitende Praxis beizubehalten. Der EuGH spricht insoweit von „Stillhalteklauseln“, die wegen der Schwierigkeiten, eine Angleichung der Rechtsvorschriften in einem Bereich vorzunehmen, der bisher allein in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fiel, zulässig sind.[79] Den Eilrechtsschutzklauseln der Verordnung kommt also der Charakter von „Stillhalteklauseln“ zu.[80]

 

Die Bundesrepublik hat sich im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung, am 1. September 2003 (vgl. Art. 29 Abs. 1), nicht auf die Stillhalteklauseln der Art. 19 Abs. 2 Satz 4 letzter Hs. und Art. 20 Abs. 1 Buchst. e) Satz 4 letzter Hs. Verordnung (EG) Nr. 343/2003, berufen. In diesem Zeitpunkt galten die Vorschriften der § 29 Abs. 3, § 35 AsylVfG a.F. und § 36 AsylVfG, die es den von Überstellungen (Art. 19 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 343/2003, § 35 AsylVfG a.F.) betroffenen Asylsuchenden ermöglichten, hiergegen Eilrechtsschutz zu beantragen (vgl. § 35 AsylVfG a.F. in Verb. mit § 36 Abs. 1 und 3 AsylVfG). Zwar bestimmte § 29 Abs. 3 Satz 2 AsylVfG a.F., dass § 26a Abs. 1 AsylVfG unberührt blieb. Entgegen der in der Rechtsprechung vereinzelt vertretenen Auffassung, dass damit auch im Rahmen des Völkerrechtsvorbehaltes des Art. 16a Abs. 5 GG die Drittstaatenregelung des Art. 16a Abs. 2 GG als „alternative Handlungsmöglichkeit“ verfügbar bleiben sollte,[81] folgte der völkerrechtliche Vorbehalt – wie bereits weiter oben ausgeführt wurde - anderen Gesetzmäßigkeiten als die Drittstaatenregelung. Der Völkerrechtvorbehalt ließ also den Eilrechtsausschluss nicht zu, sodass die damalige rotgrüne Regierung sich nicht auf die Stillhalteklauseln der Verordnung berief.

 

Der verbissene Kampf der Bundesregierungen seit 1993 in Brüssel für den Ausschluss des Eilrechtsschutz trägt jedoch keine Früchte. Stehen bereits allgemeine unionsrechtliche Grundsätze und seit 2009 auch Art. 47 GRCh gegen diese Position, deutete sich in der Entscheidung N.S. des EuGH an, dass die Verordnung grundrechtskonform zu handhaben und damit Eilrechtsschutz gegen Überstellungen zu gewähren ist.[82] Er hat sich zwar nicht unmittelbar mit dem Eilrechtsschutz gegen Überstellungen auseinandergesetzt. Aus seinen Ausführungen folgt jedoch, dass wirksamer Eilrechtsschutz zu gewährleisten ist. Dieselben Gründe, die dafür sprechen, das Ermessen nach Art. 3 Abs. 2 der Verordnung als ein „Element des GEAS“ zu werten,[83] tragen auch die Annahme, dass der in das Ermessen gestellte Eilrechtsschutz nach Art. 19 Abs. 2 ein Element dieses Systems ist und durch die Ausübung dieser Norm Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 GRCh durchgeführt wird. Dafür spricht auch die ständige Rechtsprechung des EuGH, wonach Ermessensklauseln nur in Übereinstimmung mit den Rechten der EMRK und der Charta der Grundrechte in Anspruch genommen werden dürfen.[84] Die demnächst in Kraft tretende Änderung der Verordnung trägt dieser Rechtslage Rechnung und regelt in Art. 27 Abs. 3 zwingend den Eilrechtsschutz gegen Überstellungen und belässt den Mitgliedstaaten für die Umsetzung drei unterschiedliche Optionen.[85] Auf Antrag der Fraktionen von CDU/CSU und FDP vom 13. Mai 2013 hat deshalb der Innenausschuss bei der Endberatung eines Änderungsgesetzes zum AsylVfG beschlossen, § 34a Abs. 2 dahin zu ändern, dass gegen Überstellungen nach der Verordnung Eilrechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO gewährleistet wird.[86] Da die Drittstaatkonzeption ohne die »rigide Negation« des vorläufigen Rechtsschutzes ihren Sinn verliert,[87] ist damit das zentrale Standbein der Asylrechtsreform von 1993, der Eilrechtsausschluss, Geschichte, die vom Unionsrecht überholt wurde.

 

D.        Das europäische Projekt: Verstärkter Grundrechtsschutz (Fazit)

 

Der Befund überrascht: Die List der europäischen Vernunft hat sich in das »monströse« Grundrecht[88] eingenistet und dem spezifischen Prägebegriff der Drittstaatenregelung Beißhemmungen eingezogen. Nur sinn- und planlos noch beißt das normatives Vergewisserungskonzept genannte Monster in die Luft, findet jedoch mangels „sicherer“ Drittstaaten keine Nahrung. Krampfhaft sucht es nach Ersatz, schnappt nach den Mitgliedstaaten. Doch der Versuch, „Mitgliedstaaten“ als „Drittstaaten“ zu behandeln, um dem Monster Nahrung zu liefern, belegt, dass dem Drittstaatenkonzept von Anfang intellektuelle Überzeugungskraft fehlte. Noch verhaken sich die Verwaltungsgerichte in dieses Konzept, meinen, sie müssten sich auf die vom BVerfG zugelassenen Durchbrechungen berufen, um Überstellungen nach Italien, Ungarn und Polen zu verhindern. Doch dies wird in wenigen Wochen deutsche Geschichte sein.

 

Doch kann diese „Geschichte des größten und folgenschwersten Versagens in der Geschichte der Bundesrepublik“, wie Heribert Prantl 1994 resümierte,[89] damit politisch abgehakt werden? Bleibt der radikale Angriff auf ein Grundrecht ohne politische Folgen? Es war die sozialdemokratische Opposition, die in der großen Sachkoalition dem Asylkompromiss nach langen internen Kämpfen die erforderliche Zweidrittelmehrheit sicherte, weil sie sich dem Druck der Rechten beugte, um Gewalt aus der rechtsradikalen Bewegung begegnen zu können. Die Antwort der politischen Elite auf rassistische Gewalt und Morde nach 1990 in Hoyerswerda, Mölln, Hünxe und Rostock war Entrechtlichung, gegründet auf fehlendem Standvermögen und politischer Naivität auf Seiten der Linken und dem vitalen Drang der Rechten nach Abschaffung eines seit langem ungeliebten Grundrechts in günstiger Stunde. Hat die Abschaffung des Grundrechts die erwünschte Sicherheit gebracht oder eher blind gegenüber faschistischer Gewalt gemacht? Hat das systematische Versagen des riesigen Sicherheitskomplexes gegenüber gezielten Morden aus der faschistischen Bewegung nach 1993 vielleicht seinen Grund in dieser Blindheit, die durch die seit 2001 politisch geschürte Angst vor dem muslimischen Anderen die Spaltung der Gesellschaft verschärft? Nein, abhaken darf man diese Geschichte nicht. Vielmehr bedarf der innere Frieden der Gesellschaft ihrer offenen Aufarbeitung.

 

Die Geschichte der Abschaffung des Asylgrundrechts ist auch eine Erzählung über eine scharfe Polarisierung der deutschen Gesellschaft mit langwirkenden traumatischen Folgen. Hier die Exekutive, die den „Staatsnotstand[90] beschwor und gemeinsam mit  Legislative und Judikative die 1993 gefühlte Gefahr vor einwandernden „Massen“ aus östlichen Nachbarländern zum Stilelement ihrer Politik gemacht hat und sich auch heute noch nur mühsam Kompromisse zur Verbesserung des Rechtsschutzes Schutzbedürftiger abhandeln lässt. Dort die Zivilgesellschaft, in scharfer Frontstellung und aggressiver Abwehrhaltung gegen die politische Elite. Über 10000 Demonstranten blockierten am 26. Mai 1993 den Deutschen Bundestag in Bonn, sodass viele Abgeordnete nur mit dem Schiff und dem Flugzeug den Plenarsaal erreichen konnten.[91] Die ausgelöste politische Paralyse dauerte lange. Nur mühsam und zögernd haben sich beide Seiten nach 1993 auf das europäische Asylprojekt eingelassen. In der Zivilgesellschaft herrschte noch lange der Glaube, das alte Asylgrundrecht habe weit über das Völkerrecht hinausgehend Flüchtlingen grundrechtlichen Schutz gewährleistet, ein Glaube, der Anfang der 1980er Jahre ja auch vom BVerfG genährt wurde. Und die Exekutive, aufgrund der marktwirtschaftlichen Entwicklung gezwungen, sich auf das europäische Projekt einzulassen, versuchte so viel wie möglich vom nationalen Bestand zur Richtschnur für die europäische Integration zu machen.

 

Das ist der derzeitige Befund der europäischen Integration aus deutscher Sicht. Diese Integration wird jedoch gesamteuropäisch hervorgebracht. Für die Flüchtlinge enthält sie trotz aller Kritik seit 2004 konstruktive Ansätze, die sich zwar gegen den Exekutivföderalismus behaupten müssen, aber aufgrund der im Primärrecht eingelassenen Werte und gemeinsamen Überzeugungen der europäischen Völker weiter ausgebaut werden können. Es wird Aufgabe von Historikern und Soziologen sein, aufzuarbeiten, warum der postmoderne Exekutivförderalismus, wie Habermas den derzeitigen Prozess der europäischen Integration beschreibt,[92] gleichwohl ein den Menschenrechten und dem Flüchtlingsschutz verpflichtetes Wertesystem hervorgebracht hat. Aus politologischer Sicht sind es sicherlich die nationalen Zivilgesellschaften, die ihre nationalen Exekutiven treiben, Transparenz sowie Rechenschaft ihres gesetzgeberischen Handelns in Brüssel einfordern und dadurch das europäische Projekt befördern. Dabei sind es angesichts des unverändert weitgehend wirkungslosen Parlaments die nationalen Parlamente, die das demokratische Projekt in Europa beleben und über die die Zivilgesellschaften Einfluss auf den Prozess der Integration nehmen können. Allerdings muss bei uns bislang das nationale Parlament vom BVerfG zum Jagen getragen werden. Damit eröffnet sich andererseits aber ein strategischer Hebel für die Zivilgesellschaft, um über das nationale Parlament den Vorrang gemeinsamer Werte gegenüber kurzsichtigen Interessen zu wahren.

 

Der juristische Ausgangspunkt für konstruktive Strategien sind die europäischen Grundrechte, welche aus den nationalen Grundrechtskatalogen hervorgegangen sind und diese zugleich überwölben. Dies mag auch erklären, warum nicht zuletzt mit maßgebenden Anstößen des Straßburger und Luxemburger Gerichts eine europäische Entwicklung eingeleitet werden konnte, das das völkerrechtswidrige deutsche Asylgrundrecht entschärft hat. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des EuGH, Sekundärrecht nach Maßgabe der Primärrechtskonformität auszulegen.[93] Der EuGH bindet die Mitgliedstaaten bei der Beibehaltung von Stillhalteklauseln an die Grundrechte als integralen Bestandteil der allgemeinen Rechtsgrundsätze und insbesondere der Grundrechtscharta und verpflichtet die Mitgliedstaaten im Rahmen der Berufung auf Stillhalteklauseln auf die in der EMRK sowie im Bürgerrechtspakt verankerten Rechte.[94] Was auch immer der postdemokratische Exekutivföderalismus an Rechtsakten schaffen mag, stets müsen sich die aus den divergierenden nationalen Intessen hervorgegangen Rechtsakte an den gemeinsamen Werten messen lassen. Gerade der Kampf der europäischen Zivilgesellschaften gegen die Überstellungen von Asylsuchenden in die recht- und schutzlose Situation in Griechenland hat gezeigt, wie eine konstruktive Einbindung der höchsten europäischen Gerichte zur Abschaffung menschenverachtender nationaler Praktiken beitragen und zugleich Recht schaffen  kann, das die Instrumente des europäischen Asylsystems humanisiert.

 

Wenn aber nationale und europäische Grundrechte dialektisch hervorgebracht und durch dieses Wechselspiel Wirksamkeit erlangen, wäre es grundverkehrt, das nationale Asylgrundrecht aufzugeben.[95] Wenn diese Position auch europarechtsfreundlich motiviert ist,  bringt sie doch das Gegenteil hervor, weil dadurch ein Baustein aus der europäischen Architektur der Grundrechte heraus gebrochen würde. Dies erweist die Geschichte des neuen deutschen Asylrechts nach Art. 16a Abs. 1 GG. Nachdem nunmehr Klarheit vorherrscht, dass die Beschränkungen des Abs. 2 und 5 mit Unionsrecht nicht vereinbar sind und damit das Asylgrundrecht von den Fesseln, die es bislang geknebelt hatten, befreit worden ist, scheint in Abs. 1 von Art. 16a GG das alte Grundrecht aus Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG wieder auf, freilich in anderer Gestalt als bis 1993, nämlich unionsrechtlich in den dialektischen Grundrechtsprozess eingebunden. Vorbei sind die Zeiten, in denen in nationaler Isolation ein internationaler Sachverhalt gesteuert werden konnte. Das nationale Grundrecht auf Asyl in Verbindung mit der nationalen Rechtsschutzgarantie verstärken das europäische Asylrecht und die europäische Rechtsschutzgarantie, ja, sie sind selbst als solche europäisches Recht.

 

[1]          BVerwGE 39, 27 (29 f.) =

[2]          BVerwGE 49, 202 (205 f.) = EZAR 201 Nr. 2 = NJW 1976, 490; BVerwGE 62, 206 (210) = EZAR 200 Nr. 6 = InfAuslR 1981, 218; BVerwGE 69, 323 (325) = EZAR 200 Nr. 10 = NJW 1984, 2782.

[3]          BVerwGE 49, 202 (206 f.) = EZAR 201 Nr. 2 = NJW 1976, 490.

[4]          BVerwG, NVwZ 1984, 591 = InfAuslR 1984, 224.

[5]          BVerwGE 79, 347 (349) = EZAR 205 Nr. 9 = NVwZ 1988, 1136 = InfAuslR 1988, 297.

[6]          BVerwG, NVwZ 1992, 380 (381).

[7]          BVerfGE 56, 216 (236) = DVBl. 1981, 623 = DÖV 1981, 453 = NJW 1981, 1436 = BayVBl. 1981, 366 = JZ 1981, 339 = EuGRZ 1981, 306 = MDR 1981, 637 = VerwRspr. 1981, 769 = EZAR 221 Nr. 4.

[8]          BVerfG (Kammer), EZAR 205 Nr. 16 = InfAuslR 1992, 226 = NVwZ 1992, 659.

[9]          S. hierzu Weis, BritishYIL 1953, 478 (482 f.).

[10]         Robinson, Convention relating to the Status of Refugees, 1953, S. 163; ebenso Kimminich, Der internationale Rechtsstatus des Flüchtlings, 1962, S. 327; Grahl-Madsen, The Status of Refugees in International Law, Bd. 2, 1972,  S. 94.

[11]         Khan, Recueil des Cours 1976, 287 (318); Kimminich, Der internationale Rechtsstatus des Flüchtlings, 1962,  S. 327.

[12]         Weis, CanadianYIL 1969, 92 (124).

[13]         So auch Kälin, Das Prinzip des Non-Refoulement, 1982, S. 105 ff.

[14]         Weis, AmericanYIL 1954, 193 (198 f.).

[15]         Goodwin-Gill, VirginiaJIL 1986, 897 (902 f.)

[16]         Sexton, Vanderbuilt JTL 1985, 731 (739f.); Jackson, Territoriales Asylrecht, in: Menschenrechte und Flüchtlingsbetreuung, Otto-Benecke-Stiftung (Hrsg.); 1978, S. 79.

[17]         Sinha, Asylum and International Law, 1971, S. 110f.; Sternberg, Non-Expulsion and Non-Refoument, 1989, S. 253, 257, 261; Hatheway, The Law of Refugee Status, 1991, S. 26 f.; Hathaway, The Rights of Refugees under International Law, 2005, S. 335 ff.; Goodwin-Gill/McAdam, The Refugee in International Law, 3. Aufl., 2007, S. 208; Kälin/Caroni/Heim, in: The 1951 Convention relating tot he Status of Refugees and its 1967 Protocol, Zimmermann (Hrsg.), 2011, Article 33 para. 1 Rdn. 109; Perluss/Hartman, VirginiaJIL 1986, 551 (599f.); Sexton, Vanderbuilt JTL 1985, 731 (739f.); Hailbronner, ZAR 1987, 1ff. (5); Crawford/ Hyndman, IJRL 1989, 157; Helton, IJRL 1990 (Special Issue), S. 119 (123).

[18]         BVerwGE 49, 202 (205 f.) = EZAR 201 Nr. 2 = NJW 1976, 490; BVerwGE 62, 206 (210) = EZAR 200 Nr. 6 = InfAuslR 1981, 218; BVerwGE 69, 323 (325) = EZAR 200 Nr. 10 = NJW 1984, 2782.

[19]         Committee against Torture, HRLJ 1994, 164 (168) (§ 10) - Mutombo; EGMR, InfAuslR 2000, 321 (323 f) = EZAR 933 Nr. 8 = NVwZ 2001, 301 – T.I; Alleweldt, EJIL 1993, 360 (373 FN 80); Marx, IJRL 1995, 383 (394).

[20]         BVerfG (Kammer), EZAR 205 Nr. 16 = InfAuslR 1992, 226 = NVwZ 1992, 659; BVerwGE 77, 150 (152); 78, 332 (344); 79, 347 (251).

[21]         BVerfG (Kammer), EZAR 205 Nr. 16 = InfAuslR 1992, 226 = NVwZ 1992, 659.

[22]         BVerwGE 75, 181 (185f.) = InfAuslR 1987, 126; s. hierzu Marx, Kommentar zum AsylVfG, 2009, 7. Aufl., § 27 Rdn. 11 ff.

[23]         BVerfGE 74, 51 (64) = EZAR 200 Nr. 18 = NVwZ 1987, 311 = InfAuslR 1987, 56.

[24]         BVerwGE 77, 150 (152) = EZAR 205 Nr. 4 = InfAuslR 1987, 126 = NVwZ 1987, 423 = Buchholz 402.25 § 2 AsylVfG Nr. 6.

[25]         BVerwGE 78, 332 (344f.) = EZAR 205 Nr. 6 = Buchholz 402.25 § 2 AsylVfG Nr. 7; BVerwG, InfAuslR 1989, 175.

[26]         BVerwGE 78, 332 (346) = EZAR 205 Nr. 6 = InfAuslR 1988, 120; BVerwG, EZAR 205 Nr. 8 = NVwZ 1988, 1035; BVerwG, EZAR 205 Nr. 11 = NVwZ 1990, 81).

[27]         BVerfGE 94, 49 (91 ff.) = NVwZ 1996, 700 (703).

[28]         BVerfGE 94, 49 (92) = NVwZ 1996, 700 (703).

[29]         Marx, Kommentar zum AsylVfG, 7. Aufl., 2009, § 26a Rdn. 92 ff.

[30]         Hathaway, The Rights of Refugees under International Law, 2005, S. 335 f.; Goodwin-Gill/McAdam, The Refugee in International Law, 2007, 3. Auffl., S. 40 2 ff.; Hofmann/Löhr, The 1951 Convention relating to the Status of Refugees and its 1967 Protocol, 2011, Zimmermann (Hrsg.), Introduction of Chapter V par. 89 (S. 1115).

[31]         Marx/Lumpp, International Journal of Refugee Law 1996, S. 419 (427):

[32]         Marx, International Journal of Refugee Law 1995, 383 (404 f.):

[33]         BVerfGE 94, 49 (85) = NVwZ 1996, 700 (703).

[34]         Im Einzelnen Marx, Kommentar zum AsylVfG, 7. Aufl., 2009, § 26a Rdn. 87 ff.

[35]         BVerfGE 94, 49 (103) = NVwZ 1996, 700 (703).

[36]         Schoch, DVBl. 1993, 1161 (1162).

[37]         Voßkuhle, DÖV 1993, 53.

[38]         Schoch, DVBl. 1993, 1161 (1162).

[39]         Voßkuhle, DÖV 1993, 53 (53 f.).

[40]         Böckenförde, Staat, Verfassung, Demokratie, 1991, S. 115 (121).

[41]         Gusy, Jura 1993, 505 (509); Voßkuhle, DÖV 1994, 563 (55); Wollenschläger/Schraml, JZ 1994, 61 (62)); Tomuschat, EuGRZ 1996, 381 (382); Lübbe-Wolff, DVBl. 1996, 825); Henkel, NJW 1993, 2705 (2706). Renner, Stellungnahme an den BT-Innenausschuß v. 25. 1. 1993, S. 2 f.; Funke-Kaiser, Verfassungsrechtliche Beurteilung von Art. 16 a E-GG und völkerrechtliche Standards, in: epd-Dokumentation Nr. 24–25/93, Heft 1, S. 28.

[42]         BVerfGE 94, 49 (87) = NVwZ 1996, 700 (702 ff.).

[43]         Lehnguth/Maassen, ZfSH/SGB 1993, 281 (286).

[44]         BVerfGE 54, 341 (356) = EZAR 200 Nr. 1 = NJW 1980, 2641; BVerfGE 56, 216 (235) = EZAR 221 Nr. 14 = InfAuslR 1981, 152.

[45]         Lübbe-Wolff, DVBl. 1996, 825 (832); Henkel, NJW 1993, 2705 (2708).

[46]         BVerfGE 94, 49 (100) = EZAR 208 Nr. 7 = NVwZ 1996, 700 (706); Hailbronner, ZAR 1993, 107 (112); Voßkuhle, DÖV 1994, 53 (55); Schoch, DVBl. 1993, 1161 (1165); zweifelnd Wollenschläger/Schramml, JZ 1994, 61 (66).

[47]         Hailbronner, ZAR 1993, 107 (112).

[48]         BVerfGE 94, 49 (100) = EZAR 208 Nr. 7 = NVwZ 1996, 700 (706).

[49]         Schoch, DVBl. 1993, 1161 (1165); ähnl. Lehnguth/Maassen, ZfSH/SGB 1995, 281 (288).

[50]         BVerfGE 94, 49 (104) = NVwZ 1996, 700 (706f.) = EZAR 208 Nr. 7.

[51]         Papier, Asyl - Rechtsfragen im Spannungsfeld von Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht und Politik, 1992,  S. 18

[52]         BVerfGE 94, 49 (100) = EZAR 208 Nr. 7 = NVwZ 1996, 700 (706).

[53]         Memorandum. Flüchtlingsaufnahme in der Europäischen Union: Für ein gerechtes und soldarisches System der Verantwortlichkeit, Arbeiterwohlfahrt, DeutscherAnwaltVerein, Diakonie, Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland, Neue Richtervereinigung, Paritätischer Wohlfahrtverband, Pro Asyl, März 2013, S. 9 f.

[54]         N3. 2 Resolution on a harmonized approach to questions concerning host third countries, Group Ad Hoch Immigration,, London, 30 November and 1 December 1992, in: A New Immigration Law for Europe? The 1992 London and 1993 Copenhagen Rules on Immigration, (Netherland) Standing Committee of experts in international immigration, refugee and criminal law (Hrsg.), 1993, S. 73 (74).

[55]         Giesler/Wasser, Das neue Asylrecht, 1993, S. 15, 230.

[56]         BVerfGE 94, 49 (85) = EZAR 208 Nr. 7 = NVwZ 1996, 700.

[57]         So aber Häußer, VerwArch 1996, 241 (254f.).

[58]         BVerfGE 94, 49 (86) = EZAR 208 Nr. 7 = NVwZ 1996, 700.

[59]         S. hierzu Marx, Rechtsgutachten zu den verfassungs- und europarechtlichen Fragen im Hinblick auf Überstellungen an Mitgliedstaaten im Rahmen der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (Dublin II-Verordnung), 2010, S. 46 ff.

[60]         Giesler/Wasser, Das neue Asylrecht, 1993, S. 20

[61]         Hailbronner, ZAR 1993, 107 (116).

[62]         Randelzhofer, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz. Kommentar, Lfg. 35, 1999, Abs. 5 Art. 16 Rdn. 196; Zimmermann, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Band 2, 2009, C Art. 16a, Rdn. 237; noch anders Zimmermann, NVwZ 1998, 450 (455); so bereits Hailbronner, Möglichkeiten und Grenzen einer europäischen Koordinierung des Einreise- und Asylrechts, 1989,S. 204 ff.; s. hierzu auch Menke, Bedingungen einer Asylgesetzgebung der Europäischen Gemeinschaft, 1993, S. 139 f.

[63]         Zimmermann, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Band 2, 2009, C Art. 16a, Rdn. 237.

[64]         BVerfGE 37, 271 (280); 58, 1 (28); Hobe, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, 2011, C Art. 23 Rdn. 41; Streinz,in: Sachs, Grundgesetz. Kommentar, 2011, Art. 23 Rdn. 60.

[65]         Callies, ZEuS 2009, 559 (562).

[66]         BVerfGE 73, 339 (375).

[67]         EuGHE 1964, 1251 (1269 ff.) – Costa/ENEL.

[68]         BVerfGE 73, 339 (374 f.); 89, 155 (190); grundlegend bekräftigt in BVerfGE 123, 267 (350) Rdn. 225 ff.– Lissabon; s. hierzu Voßkuhle, Der Europäische Verfassungsgerichtsverbund, in: NVwZ 2010, 1 (5 f.).

[69]         BVerfGE 73, 339 (374 f.); 75, 223 (240 f.).

[70]         BVerfGE 73, 339 (374 f.); 75, 223 (240 ff.); Zum Ganzen Pernice, in: Dreier, Grundgesetz. Kommentar, Band II, 2008, Art. 23 Rdn. 2; s. auch Möller, Das Verhältnis zwischen Bundesverfassungsgericht und Europäischem Gerichtshof unter den Präsidenten Papier und Skouris, in: NVwZ 2010, 225 226 f.

[71]         EuGH, NVwZ 2012, 417 (421) Rdn. 100 bis 103 – N.S.; s. hierzu Hailbronner/Thym, Vertrauen im europäischen Asylsystem, in: NVwZ 2012, 406, einerseits, Marx, Solidarität im grundrechtskonformen europäischen Asylsystem, in: in: NVwZ 2012, 409, andererseits.

[72]         Ammended Proposal for a Directive on Common Procedures for Granting and Wirhdrawing international protection, 2009/0165 (COD), Stand 8. Juni 2012, S. 116.

[73]         EuGH, NVwZ 2012, 417 (421) Rdn. 102 bis 103 – N.S.

[74]         BVerfGE 123, 267 (350) – Lissabon; kritisch zu diesem Ansatz Callies, Das Rindes des Zweiten Senats mit der EU, in: ZEUS 2009, 559 (569 ff.);  Bergmann/Karpenstein,Identitäts- und Ultra-vires-Kontrollen durch das BVerfG, in: ZEUS 2009, 529 (532 ff.);Everling, Europas Zukunft unter der Kontrolle nationaler Verfassungsgerichte?, in: EuR 2010, 91 (100 ff.)

[75]         BVerfGE 94, 49 (102 ff.) = EZAR 208 Nr. 7 = NVwZ 1996, 700

[76]         EuGH, Urt. vom 19. Juni 1990, Rs. C-213/89, Rdn. 19 ff.,  Slg. 1990, I-02433 – Factortame u.a.; EuGH, Urt. vom 11. Januar 2001, Rs. C-1/99 Rdn. 46 - 48 – Kofisa Italia Srl.

[77]         EuGH, Urt. vom 15. Oktober 2005 – Rs. C-379/04, Rdn. 14 – Dahms, mit weiteren Hinweisen; EuGH, Urt. vom 17. September 2002, Rs. C-253/00, Rdn. 28 – Munoz und Superior Fruiticola; EuGH, Urt. vom 19. Juni 1990, Rs. C-213/89, Rdn. 28 Slg. 1990, I-02433 – Factortame u.a..

[78]         Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines Asylantrages zuständig ist, den ein Staatsangehöriger eines dritten Landes in einem Mitgliedstaat stellt, KOM(2001) 447 endgültig 2001/0182/CNS), 26. Juli 2001, S. 40.

[79]         EuGH, Urt. 27. 6. 2006 – Rs. C-540/03, Rdn. 102, NVwZ 2006, 1033 1034) – EP gegen Rat.

[80]         Marx, Rechtsgutachten zu den verfassungs- und europarechtlichen Fragen im Hinblick auf Überstellungen an Mitgliedstaaten im Rahmen der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (Dublin II-Verordnung), 2010, S. 132 ff.

[81]         So OVG NW, NVwZ 1997, 1141 (1142), OVG NW, InfAuslR 2001, 94 = NVwZ-Beil. 2000, 150; Löper, ZAR 2000, 16 (19); dagegen Marx, Kommentar zum AsylVfG, 6. Aufl., 2005, § 29 Rdn. 93.

[82]         Marx, NVwZ 2012, 409 (412 f.); a.A. Hailbronner/Thym, NVwZ 2012, 406 (408 f.).

[83]         EuGH, NVwZ 2012, 417 (418) Rdn. 68 – N.S.

[84]         EuGH, NVwZ 2006, 1033 (1034) Rdn. 58 ff. (62 f.) –EP gegen Rat; EuGH, InfAuslR 2010, 221 = NVwZ 2010, 697 Rdn. 44 – Chakroun.

[85]         Rat der Europäischen Union,  Standpunkt des Rates in erster Lesung im Hinblick auf die Annahme der Verordnung zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz, ASILE 129 CODEC 2520 OC 601, 14. Dezember 2012, S. 58.

[86]         Änderungsantrag vom 13. Mai 2013 zum Gesetzentwurf BT-Drs. 17/13063 – BT-IA-Drs. 17(4)738.

[87]         Schoch, DVBl. 1993, 1161 (1165); ähnl. Lehnguth/Maassen, ZfSH/SGB 1995, 281 (288).

[88]         So Voßkuhle, DÖV 1993, 53 zu Art. 16a GG.

[89]         Prantl, Deutschland leicht entflammbar. Ermittlungen gegen die Bonner Politik, 1994, S. 100.

[90]         GK-AsylVfG, Stand Oktober 1993, Entstehungsgeschichte II Rdn. 123.

[91]         GK-AsylVfG, Stand Oktober 1993, Entstehungsgeschichte II Rdn. 135.

[92]         Habermas, Zur Verfassung Europas. Ein Essay, 2011, S. 48 ff.

[93]         EuGH, Urt. vom 17. Dezember 1998 – Rs. C-186/96, Rdn. 35 – Demand; EuGH, Urt. vom 13. April 2000 – Rs. C-292/97, Rdn. 37, 63 – Karlsson; EuGH, Urt. vom 3. Oktober 2000 – Rs. C-411/98, Rdn. 47 – Ferlini; EuGH, Urt. vom 10. April 2003 – Rs. C-276/01, Rdn. 70, – Steffensen; EuGH, Urt. 27. 6. 2006 – Rs. C-540/03, Rdn. 60, NVwZ 2006, 1033 1034) – EP gegen Rat s. hierzu auch Zorn/Twardozs, DStR 2007, 2185 (2192); von Bogdandy, EuR 2009,749 (754 f.); Möller, NVwZ 2010,  225 (227).

[94]         EuGH, Urt. 27. 6. 2006 – Rs. C-540/03, Rdn. 35 - 39, 102, NVwZ 2006, 1033 1034) – EP gegen Rat.

[95]         So aber Tiedemann, Abschaffung des Asylgrundrechts, in: ZAR 2010, 161.

 

 

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